Spring, der seinen Vornamen ab etwa 1878 „Alfons“ schrieb, war der älteste Sohn einer baltendeutschen Familie. Sein Vater war Böttchermeister und Aldermann der Böttchergilde. Nach dem Willen seines Vaters sollte Alphons Spring in St. Petersburg Kaufmann werden, er überzeugte jedoch durch sein zeichnerisches Talent die Eltern und konnte zunächst in St. Petersburg die Stieglitzsche Zeichenschule besuchen, 1863 wurde er an der Kaiserlichen Akademie der Künste in St. Petersburg aufgenommen. Er studierte mit Unterbrechungen und verdiente seinen Lebensunterhalt vor allem durch das Retuschieren von Fotos. 1869 reiste er mit dem Stipendium eines baltendeutschen Gönners nach Tirol und nach München. Am 10. Januar 1871 immatrikulierte er sich an der Akademie der Bildenden Künste München in der Klasse von Wilhelm Diez.[1]
In den Sommermonaten kündigte er laut Melderegister der Stadt München zwischen 1871 und 1880 seine Wohnung, ging auf Reisen und zog beim selben Vermieter zum Spätherbst wieder ein. Eine Zeitlang war er Mitglied der Osternberger Künstlerkolonie. In der Kunstakademie gehörte er 1873 zu den Gründungsmitgliedern der Künstlergesellschaft Allotria.[2] Ein eigenes Atelier richtete er sich um 1880 zunächst in der Brienner Straße ein und ab 1882 bis zu seinem Tod dauerhaft in der Nymphenburger Straße 182. Am 18. Februar 1881 wurde er bei der Brandkatastrophe im Tanzlokal Kil’s Colosseum schwer verletzt aber überlebte als einer der drei Überlebenden der zwölf Schwerverletzten. Im Juni 1887 erhielt er die Staatsangehörigkeit in Bayern und das Heimatrecht in München.
Es lassen sich zwei Skizzenbücher mit Bleistiftzeichnungen und ungefähr 400 Ölgemälde nachweisen. Spring malte altmeisterlich in niederländischem Stil, in den Ölskizzen locker mit Anklängen an Frühimpressionismus. Die Malgründe sind Holz, solide nach Art der Ikonenmalerei verarbeitet, Leinwand, seltener auch Pappe. Die Titel wiederholen sich, bleiben eher im Allgemeinen, unterscheiden sich aber immer in den Formaten, so dass sie sich dadurch gut bestimmen lassen. Die Palette ist reduziert auf die Grundfarben Weiß, Schwarz, Umbra, Ocker und Grüne Erde, Karminrot, Pariser Blau und Indisch Gelb. Seine Themen umfassen neben Porträts mehrfach identisch verwendete Interieurs wie Dachkammern, Keller und Wirtshausstuben, oft mit einem Fenster mit hellem Lichteinfall, jedoch ohne Sicht nach draußen meist auf der linken Seite, die er mit Gegenständen und Personen zu oft humorvollen Genreszenen ausgestaltete. 1873, schon vor Menzel und van Gogh, malte er ein ungemachtes Bett, zeichnete in den Skizzenbüchern Stadtansichten, Holzschuppen, Treppenaufgänge von süddeutschen Bauernhäusern und Details von Möbeln und architektonischen Schmuckelementen. Seine Modelle, vielfach und in verschiedenen Lebensaltern und unterschiedlichen Positionen, sind leicht wiederzuerkennen. Es sind, anders als so oft in der Genremalerei, keine „Typen“, sondern existierende Personen, die, gut zu identifizieren, ihm zum Teil mehrfach und über Jahre immer wieder Modell gesessen haben – Bäuerinnen und Bauern in Tracht, Wirtshausszenen, dazu Szenen aus dem Klosterleben mit Mönchen, Nonnen und Handwerkern. Hervorzuheben ist die mit vielen Besuchern, vor allem Kindern bevölkerte Zoologische Sammlung (in der Alten Akademie) (79 × 127 cm) mit exotischen Vögeln und einem großen Kamel in der Mitte von 1878[4] oder die Handarbeitsstunde (82 × 160 cm) von 1875[5] und andere Familienszenen mit Kindern und alten Menschen, dazu Industriearbeiter in ihrer Arbeitswelt, so eine großformatige Hammerschmiede (93 × 123 cm) von 1892. Souverän handhabt er die Perspektive der Innenräume, teilweise mit drei Fluchtpunkten außerhalb des Bildes, schafft eindrucksvoll im engen Raum Tiefe, feinst abgestuft durch Schatten und Lichteinfall in zurückgenommenen Farben.
Alphons Spring war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Emil, Bierbrauer und Brauereibesitzer in Rostow am Don, starb 1893 durch einen Unfall. Die Schwägerin war wenig an der Familie Spring und an Kunst interessiert und die Neffen und Nichten zu jung, um eigenen Kontakt zu halten. Allerdings ist überliefert, dass Alfons Spring jedem Kind seines Bruders eines seiner Gemälde schenkte. Es ist nicht bekannt, ob er je wieder nach St. Petersburg oder nach Libau reiste. Erhalten ist lediglich ein im Ton familiär vertraut klingender, klagender Brief eines entfernten Verwandten, der seine belastete Situation schildert und bittet, Spring möge sich in München um einen jungen Mann aus dem Freundeskreis kümmern.
Letzte Jahre
1905 stürzte Alphons Spring beim Aussteigen aus der Straßenbahn und erholte sich nicht wieder von den Verletzungen. In der Hoffnung auf Linderung der chronischen Schmerzen reiste er zur Kur nach Bad Oeynhausen, wo er bald nach seiner Ankunft am 15. Juli 1908 verstarb.[6] Die Beerdigung auf dem Waldfriedhof in München am 19. Juli 1908 richtete die Künstlervereinigung Allotria aus. In den Münchner Neuesten Nachrichten vom 21. Juli 1908 wurde erwähnt, dass Gabriel von Seidl die Trauerrede hielt und auch ein Kranz von Kronprinz Rupprecht von Bayern gestiftet wurde.[7] Um den Nachlass kümmerte sich die Künstlergesellschaft Allotria und besonders die Galerie Helbing.[8] Gekauft haben aus dem Nachlass z. B. die Nationalgalerie in Berlin und die Alte Pinakothek in München.
Ein kleiner Putztag, Öl auf Holz, 54 × 37 cm, signiert, o. J.Der alte Schiffsbauer, Öl auf Holz, 80 × 70 cm, Abbildung von Sammlung Schrey / Max Herber, MünchenDer Schleifer, Öl auf Leinwand, 100 × 70 cm, Foto aus der Sammlung Schrey / Max Herber, München, Galerie Heinemann, ID 10776, Ort unbekanntAbendstimmung im Gemüsekeller, Öl auf Holz, 32 × 24 cm, Privatbesitz
Friedrich Pecht: Geschichte der Münchener Kunst im neunzehnten Jahrhundert. Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft vormals Friedrich Bruckmann, München 1888, S. 360 (WV 54; digi.ub.uni-heidelberg.de).
Spring, Alphons. In: Friedrich von Boetticher (Hrsg.): Malerwerke des 19. Jahrhunderts. Beitrag zur Kunstgeschichte. Band2/2, Bogen 33–67: Saal–Zwengauer.. Fr. v. Boetticher’s Verlag, Dresden 1901, S.791–792 (Volltext [Wikisource]).
Nekrolog Alfons Spring. In: Bericht über das Wirken und den Mitgliederstand des unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner königlichen Hoheit des Prinzregenten Luitpold von Bayern stehenden Kunstvereines München (Anerkannter Verein) während des Jahres 1908. Erstattet von der Vorstandschaft in der Generalversammlung vom 16. Januar 1909. Buchdruckerei J. Gotteswinter, München 1909, S. XXII.
Hyacinth Holland: Spring, Alfons. In: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog. XIII. Band vom 1. Januar bis 31. Dezember 1908. Reimer, Berlin 1910, S. 114–115 (Textarchiv – Internet Archive).
Hermann Uhde-Bernays: Die Münchner Malerei im 19. Jahrhundert. 2. Teil: 1850–1900. Neu herausgegeben von Eberhard Ruhmer. Bruckmann München 1983, S. 110. 114.
Dieter Weidmann: Gemälde des 19. Jahrhunderts. Deutschland, Österreich, Schweiz (Weltkunst Antiquitäten-Führer). Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1997, S. 116 (Die Handarbeitsstunde (WV 57), hier genannt „Handarbeitsunterricht“).
Hans F. Schweers: Gemälde in deutschen Museen. Katalog der ausgestellten und depotgelagerten Werke. Dritte aktualisierte und erweiterte Ausgabe. Teil I Künstler und ihre Werke 4 S-Z. K. G. Saur, München 2002, S. 1874 (WV 120, WV 21, WV 95, WV 16, WV 119, WV 80, WV 105).
Friederike Kitschen, Julia Drost (Hrsg.): Deutsche Kunst - französische Perspektiven 1870–1945. Quellen und Kommentare zur Kunstkritik (= Passagen Band 9). Akademie Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-05-004108-7, S. 47, 196.
Sabine Göbel: Alfons Spring. Leben und Werk. Eine Dokumentation mit Werkverzeichnis und Abbildungen. Göttingen 2011 (Typoskript).
Einzelnachweise
↑02633 Alfons Spring, Matrikelbuch 1841–1884, Akademie der Bildenden Künste München.
↑Peter Grassinger: Münchner Feste und die Allotria. Ein Jahrhundert Kulturgeschichte. Verlags-Anstalt Bayerland, Dachau 1990, ISBN 3-89251-097-0.
↑„The Fisherman’s Home“ (WV 153). Charles M. Kurtz (Hrsg.): Three Hundred and Thirty-Six Engravings. Edited by Assistant Chief of the Art Department World’s Columbian Exposition George Barrie. Philadelphia 1893, S. 223 (Abb.; ia801003.us.archive.org PDF).
↑München, Stadtmuseum, Museumsdatenbank als „Alte Akademie“; Helmut Bauer: Mythos Bayern. [Anläßlich der gleichnamigen Ausstellung des Münchner Stadtmuseums vom 17. September 2004 bis zum 27. März 2005]. Ed. Bemberg, München 2004, S. ? („Das bestaunte Kamel“, WV 36, seitenverkehrt!).
↑Münchner Neuesten Nachrichten 61. Jg., Nr. 334, digipress.digitale-sammlungen.de. Im Katalog von 1909 bei Helbing ist unter der Nr. 628 ist ein von Spring gemaltes, allerdings verschollenes Porträt von Prinzregent Luitpold von Bayern (o.J., 142 × 181 cm) verzeichnet.
↑Galerie Helbing: Keramik, Arbeiten in Edelmetall, Bronze, Messing, Eisen, Ton, Stein etc., Ausgrabungen, Holzskulpturen, Möbel und Einrichtungsgegenstände, Kostüme, Bücher etc., ferner Ölgemälde moderner Meister: darunter eigene Arbeiten von A. Spring sowie einige Ölgemälde alter Meister aus dem Nachlasse des verewigten Kunstmalers Herrn Alfons Spring, München, aus dem Besitze des Herrn Professor Dr. Georg Scherer, München und aus anderem Besitze; Auktion in München in der Galerie Helbing: Dienstag, den 16. und Mittwoch, den 17. Februar 1909 (digi.ub.uni-heidelberg.de); s. dazu Auktion der Sammlungen Spring & Scherer in der Galerie Helbing-München. In: Der Kunstmarkt. Wochenschrift für Kenner und Sammler 6, Nr. 22, 5. März 1909, S. 170 (digi.ub.uni-heidelberg.de). Weitere Gemälde aus dem Nachlass: Gebr. Heilbron, Berliner Kunstauktions-Haus: Reinhold Begas gesamter künstlerischer Nachlass: Professor Alfons Spring, München, Hofzahnarzt Karl Elchinger, München u.a., Gemälde-Nachlass. Versteigerung: 15., 16., 17. April [1912]. Berlin 1912 (digi.ub.uni-heidelberg.de).
↑Internationale Kunstausstellung zu München 1879. 2. Auflage mit Nachtrag, S. 34 (WV 36; WV 113 oder 114).
↑Exposition universelle de 1889. Les Beaux-Arts et les Arts Décoratifs. Ouvrage publie sous la direction de Louis Gonse et Alfred de Lostalot. Journal Le Temps, Paris 1889, S. 211 (gallica.bnf.fr).
↑Internationale Kunst-Ausstellung, veranstaltet vom Verein Berliner Künstler anlässlich seines fünfzigjährigen Bestehens 1841–1891. Dritte Auflage. Verlag des Vereins Berliner Künstler, Berlin 1891, S. 62 (WV 40, WV 145); (Textarchiv – Internet Archive).
↑Die Kunst für Alle 7, 1891–1892, S. 372 Tischgebet. VI. Internationale Kunstausstellung 1892 zu München (WV 155).
↑Katalog der Vereinigten Gemäldesammlungen der Stadt Riga, des Rigaschen Kunstvereins und des Weil. Rigaschen Ratsherrn Friedr. Wilh. Brederlo. Herausgegeben von der Direktion des Städtischen Museums. 6. Auflage. Riga 1917 (WV 62).
↑Jean Merrell Dinse: Private Art Collections in Rochester. In: Evidences of Culture in Early Rochester. Rochester History Bd. 7, Nr. 3, Juli 1945, S. 19 (WV 130) (libraryweb.org PDF).
↑Museumsdatenbank. Ein ähnliches Bild bei Kunstblätter zum Türmer. Hrsg. von Jeannot Emil Freiherr von Grotthuß, Band 3. Gmeiner und Pfeiffer, Stuttgart ca. 1909, 91 Blätter, Abb. Die Politiker (WV 65).
↑Führer durch das Museum der Stadt Stettin. Stettin 1924 (WV 113 oder WV 114).